Don Vincente

„Der Bibliomane, der der Bücher wegen mordete, war ein Wahnsinniger, ihn mag man als das Schreckbild der Bücherwut zeichnen: Don Vincente, Padre im Kloster Poblet bei. Als die reiche Klosterbücherei, das Geschenk eines der letzten Könige von Aragonien, während der Regentschaft der Königin Christine von Bourbon geplündert wurde, hatte Don Vincente die Gelegenheit benutzt, für sich zahlreiche Bücher zu gewinnen, indem er den Plündernden andere Schätze verriet, die mehr nach ihrem Sinne waren.

Mit seinem Raube wurde er Buchhändler in Barcelona, freilich ein Antiquar eigener Art. Niemals Bücher lesend, fand sein bibliomanischer Geist den Inhalt seines Lebens darin, auf der Außenseite der Bände umherzuirren. Während er geringe Ausgaben verkaufte, um kümmerlich sein Leben zu fristen, trennte er sich niemals von seinen Bücherkostbarkeiten. Ein paarmal zwang ihn die Not dazu. Um wieder in den Besitz des notgedrungen verkauften Exemplares zu gelangen, schreckte er vor keinem Gewaltmittel zurück; auch einige Morde aus diesem Motive gestand er in der Gerichtsverhandlung ein, die ihn wegen seiner letzten Schreckenstat unschädlich machte.

Man hatte um die Mitte des Jahres 1836 die hinterlassene Büchersammlung eines Advokaten versteigert, die auch den als Unikum angesehenen Druck des Lamberto Palmart: Furs e ordinacions fetes par los gloriosos reys de Aragon als regnicols del regne de Valencia. Valencia: 1482, enthielt. Und dieses Buch hatte, Don Vincente, dessen Mittel nicht ausreichten, überbietend, ein alter Buchhändler und Straßengenosse des Bibliomanen, Augustino Patxot, ersteigert.

Nach dem für ihn katastrophalen Ereignisse zeigte Don Vincente bereits im Auktionslokale Symptome des Wahnsinns, die aber damals wohl kaum beachtet wurden. Erst nach einer Woche, in der neun angesehen Männer ermordet, aber nicht beraubt worden waren, die, wie man später feststellte, in dieser Woche den Laden Patxots aufgesucht hatten, und nachdem Patxots selbst schon vorher bei einem nächtlichen Brande seines Hauses umgekommen war, erinnerte man sich wieder an Don Vincente.

Eine Haussuchung bei ihm, in der er mit großem Stolz dem Corregidor die Ordnung seiner Bibliothek erläuterte, ließ den Untersuchungsrichter durch einen Zufall das listig versteckte Buch entdecken, das die Ursache des Todes von zehn Menschen geworden war. Don Vincente wurde verhaftet und gestand, nachdem eine genauere Untersuchung seiner Bibliothek Beweise für seine früheren Mordtaten gebracht hatte; aber erst, nachdem er die formelle Versicherung erhalten hatte, daß seine Bibliothek nicht zerstreut werden würde. Er erklärte, daß er in der guten Absicht gehandelt habe, unersetzliche Schätze der Wissenschaft zu erhalten und wiederholte mehrmals, daß man mit ihm machen möge, was man wolle; nur dürfe man nicht die Wut über seine Missetaten an den unschuldigen Büchern auslassen. Auch hob er hervor, daß er seinen Opfern, soweit es noch möglich war, die Absolution erteilt hätte, bevor er ihnen die Beute, das von ihm verkaufte wertvolle Buch, entriß.

Die Menschen müssen alle früher oder später sterben, meinte er, das sei gleich, aber die guten Bücher müsse man erhalten, denn sie seien der Rum Gottes. Der Verteidiger Don Vincentes suchte ihn mit dem Einwande zu retten, daß man einen augenscheinlich Wahnsinnigen nicht zum Tode verurteilen dürfe, da die Indizien nicht ausreichend seien; es gebe von allen vorgefundenen Büchern mehrere Exemplare, auch von dem angeblichen Unicum befände sich ein zweites Exemplar in einer großen Pariser Bibliothek, wie einer der Zeugen nachweisen könnte. Als diese bibliographische Feststellung unzweifelhaft geworden war, packte Don Vincente die Verzweiflung, der bis dahin Ruhige beklagte bis zu seiner Hinrichtung, er wurde noch 1836 garottiert, laut sein Unglück, indem er wieder und wieder die Worte wiederholte: Mein Exemplar ist kein Unicum, mein Exemplar ist kein Unicum. ...“