Gugliemo Bruto Icilio Timoleone,
conte Libri Carrucci della Sommaia, (1803-1869)

... Porträt des berühmtesten aller Bücherdiebe....

Jedenfalls, er war, soweit die Begeisterung für das Buch, die Geschicklichkeiten und Kenntnisse des Sammlers etwas gelten, ein Büchersammler hohen Ranges und wenn er die Büchersammlung, die er sich schuf, nicht zu Geld gemacht hätte, müßte er als Bücherdieb aus Bücherleidenschaft gelten.

Gugliemo Bruto Icilio Timoleone, conte Libri Carrucci della Sommaia, der, einem alten Adelsgeschlecht entstammend, 1803 zu Florenz geboren war, wurde schon mit 17 Jahren Lizentiat der Rechte und Doktor der Naturwissenschaften , mit 20 Jahren Professor der Mathematik in Pisa, nachdem eine Anzahl frühreifer wissenschaftlicher Abhandlungen ihm rasch einen angesehenen Namen unter den Gelehrten seiner Heimat gesichert hatten.

Aus politischen Gründen diese verlassend, und nach Paris übersiedelnd, war er hier seit 1832 Professor der Mathematik am College des France, wurde Mitglied des Instituts, Ritter der Ehrenlegion, Herausgeber des Journal des Savants, Inspektor des öffentlichen Unterrichtswesens.

Bei den Altbuch- und Handschriftenhändlern, auf den Versteigerungen war er einer der angesehensten, bestzahlendsten Käufer. (1841 erfolgte seine Berufung zum Schriftführer der amtlichen Kommission für die Inventarisierung der in den öffentlichen Bibliotheken Frankreichs vorhandenen Handschriften.) Diese amtliche Stellung machte es nun Libri möglich, alle von ihm gewünschten Handschriften und Druckwerke in seinen Besitz zu bringen, ohne daß hinsichtlich der Rückgabe eine besondere Kontrolle ausgeübt werden konnte. Dazu kamen die damaligen verwirrten politischen Verhältnisse, denen es Libri verdankte, das die sich mehr und mehr gegen ihn anhäufenden Anschuldigungen der Bibliotheksbeamten und anderer keinen Erfolg hatten.

So läßt sich heute schwer feststellen, wann Libri seine systematischen Bücherdiebstähle in den Pariser und vor allem in den französischen Provinzbibliotheken anfing und wieviel kostbare Handschriften und Druckwerke er einzeln oder in kleinen Sammlungen unter der Hand erkauft hat. Die Sicherheit, mit der Libri bis dahin die Rolle eines besonders erfolgreichen Sammlers gespielt hatte, verführte ihn dazu, ein größeres Geschäft zu wagen; der angeblich Sammelmüde verhandelte 1847 über den Verkauf seiner großen Handschriftensammlung mit dem British Museum in London und der Bibliothek in Turin, bis sie schließlich Lord Asburnham erwarb. Im gleichen Jahre ließ Libri auch in Paris Teile seiner Büchersammlung versteigern. Da in vielen der verkauften Bände aber die Stempel der französischen öffentlichen Bibliotheken nur nachlässig entfernt waren, konnten auch die französischen Behörden nicht mehr an den Ergebnissen der amtlichen Tätigkeit Libris zweifeln.

Am 4. Februar 1848 wurde gegen den nach England geflüchteten die Anklage erhoben. Von London aus, wohin Libri einen großen Teil seines Bücherschatzes mitgenommen hatte, begann er nun jene Polemik, die die Affäre Libri verwirrte und viele seiner alten Freunde weiter an ihn glauben ließ. Er konnte ja beweisen, daß er viele Bücher gekauft habe und unter diesen auch solche, die aus öffentlichen Bibliotheken während der Revolutionsjahre in den Handel gekommen waren. ....... Das Seinegericht verurteilte ihn 1850 in contumaciam zu zehn Jahren Zwangsarbeit. Selbstverständlich verlor Libri mit diesem Urteile auch alle seine amtlichen Stellungen und Würden.

Indessen nahm der inzwischen in England naturalisierte Libri das Urteil nicht ruhig hin; erst 1861 lehnte das Gericht das von Libri beantragte Wiederaufnahmeverfahren endgültig ab und erledigte damit einen Fall, der über ein Jahrzehnt heiß umstritten gewesen war. Libri ging in seine Heimat zurück, er starb 1869 in Fiesole. Während seines Aufenthaltes in London (1850-68) ließ er noch 16 oder 17 anonyme Auktionen (durch Puttick & Simpson) und einige größere benannte (durch Sothebsy) veranstalten; Wagenladungen von Büchern „Libri Carrucci“, auf den Markt bringend, deren Provinienz ein geheimnisvolles Dunkel umgab.